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"Sprechende Stolpersteine" - Start in der vhs Wiesbaden

Johannes Zender • Nov. 13, 2018

Am 9. November 2018, dem 80. Jahrestag der Novemberpogrome, startete der Wissensrouten-Kurs in der vhs Wiesbaden. An drei Wochenenden werden sich Teilnehmende des Wissensroutenkurses den Menschen ‚hinter den Stolpersteinen‘ widmen und daran arbeiten, die Schicksale von verfolgten Wiesbadenerinnen und Wiesbadenern in modernen medialen Formen zu erzählen.

Die Teilnehmenden zeigen aus unterschiedlichen Gründen Interesse an dem Projekt: die Einen locken vor allem die medialen Gestaltungsmöglichkeiten, Andere haben sich in beruflichen oder privaten Kontexten schon etwas mit den Stolpersteinen befasst. Alle Kursbeteiligten eint aber der Wunsch, mehr über die Personen zu erfahren, für die in Wiesbaden Stolpersteine verlegt wurden. Denn auf den Bürgersteigen "stolpert" man im übertragenen Sinne zwar tatsächlich oft, wenn man an Stolpersteinen vorbeikommt. Für eine eingehende Auseinandersetzung mit den Geschichten der Personen fehlt im Alltag aber meist die Zeit oder der geeignete Zugang.

Einblick in die Arbeit der Stolpersteinverlegungen

Gleich zu Beginn des Kurses gab das Aktive Museum Spiegelgasse für Deutsch-Jüdische Geschichte Einblick über die Arbeit zu den Stolpersteinen. In Wiesbaden organisiert der Verein in Zusammenarbeit mit dem Initiator Gunter Demnig die Verlegung der Gedenksteine. Das Aktive Museum Spiegelgasse arbeitet außerdem daran, möglichst viele Details zu den Biographien zusammenzutragen und veröffentlicht die Funde in Form von Gedenkblättern im öffentlichen Raum und gebündelt in Büchern. Das engagierte, ehrenamtliche Recherche-Team gab den Teilnehmenden im Kurs Einblick darüber, wie sie in mühevoller Kleinarbeit ein Bild der verfolgten Wiesbadenerinnen und Wiesbadener zusammenpuzzeln.

Sensibilität bei der Arbeit mit historischen Quellen

In Stadt- und Online-Archiven in ganz Deutschland und Israel wird in alten Akten und Adresssammlungen gesucht. Manchmal lassen sich noch Zeitzeugen oder Verwandte aufstöbern, die Erinnerungen und Erzählungen, Briefe oder sogar alte Fotos zu der Sammlung beisteuern können. Manche Verwandte erfahren über die Recherchearbeit von einer Stolpersteinverlegung für einen Verwandten und reisen aus aller Welt zu dem Gedenktermin extra nach Wiesbaden. Das Aktive Museum Spiegelgasse sensibilisiert die Kursteilnehmenden dafür, dass es sich bei vielen Quellen, wie im Fall von Gestapobriefen, um Dokumente handelt, die von den damaligen Tätern erstellt wurden. Auch bei den Inschriften der Stolpersteine kommt es zu der Schwierigkeit, in welcher Form nationalsozialistische Begriffe verwendet werden können - reichen hier zum Beispiel Anführungszeichen aus oder besteht darin die Gefahr, dass man belastetes Vokabular ohne eine notwendige Einordnung weiterverbreitet? Es ist oft nicht so einfach, wie es vielleicht auf den ersten Blick erscheint, auch nicht bei den Stolpersteinen.

Erschütternde Geschichten der Verfolgten

Die Mitarbeiterinnen des Aktiven Museums Spiegelgasse skizzieren für den Kurs einige Biographien. Aus diesen Biografien wählen die Teilnehmer/innen eine Biographie, die sie mit den Methoden des Digital Storytelling in einem Audiobeitrag erzählen werden. Selbst in der kurzen Schilderung der Schicksale hören die Kursteilnehmenden erschütternde Geschichten, die niemanden im Raum in der Volkshochschule kalt lassen. Dass der heutige Tag vor genau 80 Jahren, der 9. November 1938, für die meisten der Verfolgten auch in Wiesbaden einen besonders tiefen Einschnitt in ihr Leben bedeutete, lässt diesen Schicksalstag umso bedeutsamer und auf eine Art greifbarer erscheinen.

Digital Storytelling

Die Methode, mit denen sich die Kursteilnehmenden den Biographien nähern nennt sich "Digital Storytelling". Die Kursleiterin Anne Juliane Appel führt in verschiedene Formen des Digital Storytellings ein und zeigt Beispiele von Audiobeiträgen und animierten Videos, die auf packende, lustige und emotionale Weise Geschichten vermitteln. Weiter geht es mit theoretischem Input darüber, wie man – im Gegensatz zu Texten, die man später liest – Geschichten gestaltet, die beim Zuhören gut 'funktionieren' und spannend bleiben. Welche radiojournalistischen Formen gibt es überhaupt, und wie sind sie aufgebaut?

Der zweite Tag des ersten Wissensrouten-Wochenendes in Wiesbaden stand vor allem im Zeichen des eigenen Ausprobierens. Die digitalen Audiorekorder werden ausprobiert, die Teilnehmenden machen sich schrittweise mit der neuen Technik vertraut und machen erste eigene Aufnahmen. Mit Geräuschen oder gesprochenen Kurzbeiträgen wird das Erzählen von Geschichten geübt.
Zum Abschluss der ersten arbeitsreichen Wochenend-Einheit widmen sich die Teilnehmenden wieder den Stolperstein-Biographien. Anhand der Gedenkbücher und den Gedenkseiten im Internet entscheiden sich die Teilnehmenden, welchen Biographie sie sich widmen möchten. Bis zum nächsten Treffen erhalten die Teilnehmenden vom Aktiven Museum Spiegelgasse zusätzliche Materialien und machen sich Gedanken über die Ausgestaltung ihrer Beiträge.

Weitere Informationen
zum Aktiven Museum Spiegelgasse: http://www.am-spiegelgasse.de/
zum Kunstprojekt Stolpersteine: http://www.stolpersteine.eu/



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