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Aus der Werkstatt der „Sprechenden Stolpersteine“ in Wiesbaden

Maidon Bader • Okt. 14, 2019
Sind alle Werkzeuge bereit?

Ein Wochenende voller Fragen

Wie bist du auf dieses Projekt gekommen?
Welche Wünsche und Erwartungen hast du?
Was macht Spaß?
Was ist schwierig?

Obige Fragen stellten sich die Teilnehmer*innen gegenseitig bei ihrem ersten Interview. Ein Aufnahmegerät in die Hand nehmen und einem noch recht fremden Gegenüber persönliche Fragen stellen, das erfordert Mut. Der ist auch gefragt, wenn es darum geht, das Interview zu schneiden und es den anderen vorzuführen.
Und schließlich muss auch der & die Interviewte über den eigenen Schatten springen: Wie ist es, die eigene Stimme im Interview zu hören und sein eigenes Statement?

Die sechs Statements, so frisch, wie sie aus der Werkstatt kommen, bringen wir hier zur Veröffentlichung:
Anja: Man wird wütend darüber, was diesem Menschen passiert ist und wie ausweglos die Situation war.
Interview: Lena, Stolperstein: Leon Golomb.
Helen: stellt sich der Herausforderung, aus der Fülle von Material das Richtige auszusuchen und eine Form für die Biographie von Mathilde Hofer zu finden.
Interview: Max, Stolperstein: Mathilde Hofer.

Birgid: Wahnsinn, wie die Überlebenden weiter leben können – müssen.
Interview: Monika, Stolperstein: Familie Briefwechsler.
Lena: Es ist ein unglaublich schönes Gefühl, diese Geschichten wieder aufleben zu lassen.
Interview: Anja, Stolperstein: Familie Löwenstein.
Monika: stolpert auf ihren täglichen Wegen über Stolpersteine.
Interview: Birgid, Stolperstein: Martha Hoff.
Max: "Ich bin auf Fritz aufmerksam geworden und habe dann schnell gemerkt, dass es bei ihm nicht die klassische Biographie ist, die Juden im Dritten Reich haben: Also verschleppt, deportiert und dann im KZ umgebracht worden, sondern, dass seine Biographie vielschichtiger ist. Er ist in der Landes-Heil und Pflegeanstalt Eichberg eingewiesen worden, weil die Nazis ihn für einen „Psychopathen“ gehalten haben. Er hat sich nämlich nicht gefallen lassen, wie die Jüdinnen und Juden, wie er selbst behandelt worden ist. Sondern er hat Briefe an Funktionsträger der Diktatur geschrieben, er ist immer wieder mit seinem Anliegen auf Ämtern vorstellig geworden, und das hat die Nazis natürlich genervt. Und das finde ich spannend an der Biographie Fritz Salomons, dass sie Beleg dafür ist, dass man auf sehr vielfältige Weise ins Visier der Gestapo geraten konnte und auch für 'Kleinigkeiten' mit dem Leben bezahlt hat."
Interview: Helen, Stolperstein: Fritz Salomon.

Wochenende No. 3: Die Stolpersteine beginnen zu sprechen

War das zweite Kurswochenende ein Wochenende der Fragen – vor allem auch Fragen zur Fertigstellung des Manuskriptes - so ging es am dritten Kurswochenende in die Produktion der Audiobeiträge.

Alle Manuskripte waren bereits in den drei Wochen Pause zwischen den Kursen fertig geworden, die Mitarbeiterinnen des Arbeitskreises für Geschichte und Erinnerung des Aktiven Museums Spiegelgasse hatten sie gegengelesen und inhaltliche Anmerkungen gemacht, und die Teilnehmer*innen hatten diese eingearbeitet.

Ihre Gedanken über die Gestaltung, wer welche Passagen sprechen sollte und welche Geräusche sie einsetzen wollten, brachten sie mit.

Ab in die Aufnahmebox

In unsere improvisierten Aufnahmeboxen aus Stellwänden, eingehüllt in Decken, um den Schall zu dämpfen, quetschte sich je ein Aufnahmeteam: Die Erzählerin oder der Erzähler und eine zweite Person, die aufmerksam zuhörte und dabei auf die Qualität der Aufnahme achtete.


Wir hatten uns vorher eingesungen, um die Stimme aufzuwärmen, und eingelesen, jede*r ein Stück des Erzähltextes, und dennoch war das, was in den Boxen geschah, nicht vorhersehbar. Eine Aufnahme ist immer ein magischer Moment, ein Akt höchster Konzentration, in dem der Funke überspringt – oder eben auch nicht.

Die Gesichter der Teilnehmer*innen, als sie aus den Boxen kamen, zeigten, dass sie mit ihren Aufnahmen zufrieden waren.


Für den Schnitt der Aufnahmen und die Montage - das Zusammensetzen der einzelnen Teile zu einem Ganzen - blieb nicht mehr viel Zeit. Die meisten Teilnehmer*innen saßen zum ersten Mal vor einer solchen Aufgabe.

Die Geschichten der Menschen werden lebendig

Das „Abhören“ der Beiträge, also das gemeinsame Anhören, fand mit Frau Naumann-Götting vom Arbeitskreis für Geschichte und Erinnerung statt. Ein schöner Moment, in dem das, was wir an drei Wochenenden Baustein für Baustein zusammengesetzt haben, schließlich als Ganzes hörbar und begreifbar wird.


Die Geschichten der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger, die hinter jedem einzelnen Stolperstein stehen, bekommen Kontur, die Menschen erhalten wieder ein Gesicht, treten in ihrer Verschiedenheit aus dem gemeinsamen Kontext heraus: als diejenigen, die mit uns lebten und deren Nachfahren heute noch mit uns zusammenleben könnten.


Dass wir uns mit ihren Biographien beschäftigen, macht sie nicht wieder lebendig. Aber für uns macht es möglich, dass wir uns mit ihnen und mit ihren Schicksalen versöhnen.

Fotonachweis: Alle Fotos von Teilnehmer*innen aus dem Kurs „Sprechende Stolpersteine“ 2019.

12 Feb., 2024
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Die neue Wissensroute nimmt die Eisenbahnergemeinde Bischofsheim in den Blick. Sie beschäftigt sich mit der Entstehung der Eisenbahnquartiere und dem damit verbundenen Zuzug der Menschen. Für die Erarbeitung der Wissensroute haben wir uns im Heimatmuseum in Bischofsheim getroffen. Am ersten Wochenende haben wir einen Spaziergang durch Bischofsheim gemacht und uns die verschiedenen Wohnquartiere angeschaut. Am zweiten Wochenende hatten wir Gesprächspartner*innen zu Besuch, die uns von ihrem Umzug und den ersten Eindrücken von Bischofsheim erzählten. Anschließend haben wir dazu passendes Bildmaterial herausgesucht und die Audioaufnahmen geschnitten. Das Ergebnis ist bald auf wissensrouten.de zu sehen. Bildquelle: Rolf Heintzenberg
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