Gefördert aus Mitteln des Landes Hessen
im Rahmen des Weiterbildungspakts.
Unter dieser Überschrift stand der erste Wochenendkurs der „Wissensrouten“ in der Akademie Burg Fürsteneckvom 24.-26. August 2018. Aufarbeitung - das klingt nach mühevoller Recherche, danach, sich an weit Zurückliegendes zu erinnern – immerhin begehen wir im Jahr 2019 den 30. Jahrestag des Mauerfalls. Deutsch-deutsche Geschichte – das war in der Grenzregion ein minenbestückter, mit automatischen Schussanlagen versehener und von Soldaten beiderseits bewachter Streifen Land. Das war die Trennung einer Gemeinschaft; die Trennung von Verwandten, Nachbarn und Freunden. Ein gekapptes Netzwerk gewachsener sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Einheiten, Zusammenhänge und persönlicher Austausche.
Viel „Klinkenputzen“, Netzwerke aktivieren und ein Zeitungsaufruf in der regionalen Presse hatte Menschen aus der gesamten Grenzregion erreicht – Als sich die Teilnehmenden am ersten Kurstag gegenüber sitzen, steht vor allem eine Frage im Raum: Was bewegt Menschen heute – nahezu 30 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung, sich mit der deutsch-deutschen Teilung auseinanderzusetzen? Grenzerinnerungen: wer trägt sie selbst in sich und mag sie ausgraben, ja, vielmehr noch, wer mag sie frei legen? Wer sie mit anderen teilen?
Dass verschiedene Erinnerungen noch sehr lebendig sind, spürt man, wenn man dem älteren Herrn zuhört, der mit seinem Sohn gekommen ist. Er hat die deutsch-deutsche Teilung selbst miterlebt. Viel zu erzählen hat er, sprudelt vor Erinnerungen, möchte sie dokumentiert und damit bewahrt wissen. Mit dem Kursangebot auf Burg Fürsteneck gibt es nun die Möglichkeit, die jüngere Generation mit den von ihr genutzten Medien zu erreichen – „digital“ zu ihnen zu sprechen – sein Sohn wird ihm beim Umgang mit den Neuen Medien helfen.
Anderen Teilnehmenden wiederum ist das heutige Grüne Band der ehemaligen Grenze vertraut, sie möchten recherchieren, was sich dahinter an Historie verbirgt. Zwei andere Kursteilnehmende, die lange Jahre in Südafrika gelebt haben, haben einen ganz eigenen, weiter gefassten Zugang zum Thema: sie möchten sich mit den Grenzen in den Köpfen der Menschen befassen. Wieder andere sind fasziniert davon, im Kurs zu lernen, wie man Geschichte in spannende, selbst gestaltete digitale Hörbeiträge verwandeln kann.
Mit der Point Alpha Stiftung hat die Burg Fürsteneck eine kompetente Partnerin zur inhaltlichen Umsetzung des Kurses mit an Bord. Die Kursleitenden des ersten Wissensrouten-Kurses, Marina Melber und Christian Curschmann, sind pädagogische Mitarbeitende der Stiftung.
Nun, der Vergleich mag etwas hinken. Dennoch: die Themen sind schon drin, in den Köpfen der Teilnehmenden. Doch um einzuschätzen zu können, was aus der Fülle an eigenen oder recherchierten Grenzerinnerungen für einen Hörbeitrag überhaupt in Frage kommt, und in welche Form sie „gegossen werden können“, hierfür bedarf es eines Exkurses: Was ist eigentlich ein Hörbeitrag? Wie wird aus Fragen und Antworten, aus Originaltönen und aus Moderationstext ein „gebauter Beitrag“? Wie entsteht ein Spannungsbogen? Mediencoach Rainer Böhm, ebenfalls Mitglied des Leitungsteams, führt ins journalistische Arbeiten ein. Ergänzt wird das Ganze durch praktische Übungen. Noch ungewohnt und erst noch zögerlich, dann aber beherzt – sind der Griff zum Mikrophon, der Druck auf den Aufnahmeschalter, die Aufsprache, die Überspielung der Datei ins Schnittprogramm des Computers. Konzentration, Verbissenheit, dann ein gelöstes Lachen, wenn die Aufnahme gelungen ist.
Tag zwei steht dann ganz im Zeichen des inhaltlichen Themas: Ein Besuch
der Gedenkstätte Point Alpha in der Nähe von Geisa und Rasdorf schärft den Blick fürs
Wesentliche, macht aufmerksam auf historische Rahmenbedingungen, zeigt
Beispiele für Zeitzeugeninterviews. Zurück auf Burg Fürsteneck steht den
Kursteilnehmenden ein Gästeführer der Gedenkstätte persönlich Rede und
Antwort. Auch er ist ein Zeitzeuge, hat die deutsch-deutsche Teilung
miterlebt, als Zöllner im westdeutschen Herleshausen. Dies aber steht
nicht im Vordergrund des Gesprächs. Vielmehr: Welche Kenntnisse der
Historie, aber auch von Fachbegriffen, setze ich beim Hörer eines
Beitrages voraus? Wie gestalte ich einen Beitrag sachlich ohne eigene
Wertung? Für wen gestalte ich den Beitrag? Mit welcher Zielstellung? Die
sich anschließende, aktiv geführte Diskussion zeigt auf, dass den
Kursteilnehmenden bewusst ist, dass sie mit ihren späterhin im world
wide web öffentlich gemachten Beiträgen selbst einen Beitrag zur
politischen Bildung leisten.
Fest steht, alle, die damals gelebt haben, zumal in der Grenzregion, können etwas
zur Darstellung dieser Zeit beitragen. Auch Ereignisse, die man selbst
vielleicht als unbedeutend bewertet können Teile des Puzzles der
deutsch-deutschen Geschichte sein.
Zum Abschluss des Auftaktwochenendes wurden die einzelnen Vorhaben immer stärker als gemeinsame Aufgabe begriffen, – nämlich Beiträge für eine hessenweite Wissensrouten-Dokumentation zu erstellen. Bis zum nächsten Treffen werden die Teilnehmenden Grenzerinnerungen recherchieren, zeitgeschichtliches Material sammeln, Interviews führen, Beiträge und Moderationstexte einsprechen und sich Konzepte zur Gestaltung ihrer Beiträge überlegen. Und alle brennen darauf, die Aufnahmegeräte Anfang Dezember wieder auf Burg Fürsteneck auszupacken: mit jeder Menge „Stoff“ drauf. Und sind sicherlich selbst gespannt darauf, welche Grenzerinnerungen offengelegt werden.
Gefördert aus Mitteln des Landes Hessen
im Rahmen des Weiterbildungspakts.